Dienstag, 21. November 2006

Munition für Populisten

Der Amoklauf von Emsdetten ist in allen Medien ein Thema. Nicht das man mich falsch versteht. Sicher ist so etwas schlimm und falsch und eine außerordentliche Tragödie. Sicher ist im Vorfeld einiges falsch gelaufen, dass es zu solch einer Tat kommen konnte. Aber gerade deswegen finde ich es pietätlos, einen solchen Vorfall für übelsten Populismus zu benutzen wie es derzeit wieder der Fall ist.
Die Fakten: ein jugendlicher Außenseiter ohne viele Freunde, läuft in seiner alten Schule mit Waffen und Sprengstoff Amok. Wie durch ein wunder werden nur 5 Leute schwer verletzt die aber wie es derzeit aussieht alle überleben werden. Das einzige Todesopfer ist der Amokläufer selbst, welcher Suizid begeht.
Sofort beginnen die Nachforschungen und ein Übeltäter ist schnell gefunden: Killerspiele wie Counterstrike.

Hier ein Auszug: "Brutale Computerspiele und Videofilme gaukeln Jugendlichen den schnellen Sieg des Stärkeren vor", sagte Kraus vom Deutschen Lehrerverband der "Bild"-Zeitung. "Auswege für den Verlierer bieten sie nicht."

Jeder der dieses Spiel schon ausreichend gespielt hat und vor allem gut darin ist, wird wissen, dass die Gewalt darin die wenigsten sehen, dafür bleibt sowieso keine Zeit. Es geht um den Skill, also die Beherrschung der Spielfigur, die richtigen taktischen Entscheidungen, das Aiming und noch vieles mehr. Weiterhin ist Counterstrike ein Teamspiel und Solisten haben gegen richtig gute Teamspieler die koordiniert vorgehen, nicht die geringste Chance. Die ganze Mediendarstellung zu diesem Thema ist zu 90% sowieso viel zu überzogen, dennoch gibt’s es auch lobenswerte Ausnahmen. Nur diese Berichte sieht dann kaum jemand. Wenn ich die Medien dazu immer sehe kommt es mir vor, als würde dort blinde Gewallt und stumpfes Ballern belohnt. Das Gegenteil ist auch hier der Fall. In den meisten dieser sogenannten „Killerspiele“ führt ein solches Vorgehen meistens binnen kürzester Zeit zum eignen Ableben. Denn dadurch verbraucht man zuviel der eignen Munition die meist sehr limitiert zur Verfügung steht und man macht seine Gegenspieler auf sich aufmerksam und dürfte während seinem wilden Geballer vermutlich nicht einmal hören ob sich da ein gegnerischer Spieler in die eigne Flanke oder den Rücken schleicht um seinerseits gezielt und sauber den wild umherballernden auszuschalten. Weiterhin haben dutzende Studien schon bewiesen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Konsum solcher spiele und tatsächlich ausgeübter Gewalt gibt.

Aber das ist im Grunde auch egal. Darum geht es nur peripher. Es gibt Aspekte die mich ehrlich gesagt eher stutzig machen. Da ist Jemand, der als Waffenfanatiker gilt, der ankündigt er wird irgendwann so etwas tun und das über 2 Jahre hinweg. Irgendwann stürmt er dann seine alte Schule mit Waffen, wo ich mich frage wie ist er an die denn gekommen? und Sprengstoff, der so potent ist, dass die Polizei seine Leiche für lange Zeit nicht bergen kann. Diese Infos werden aber nur im Nebensatz erwähnt, aber über die Killerspiele lassen sich die Medien und die Politiker wieder einmal in epischer Breite aus.
Ich will ja gar nicht sagen, dass sein Medienkonsum nicht dazu beigetragen hat, denn unter gewissen sozialen Umständen kann so etwas halt doch eine solche Handlung bestärken. Mich interessiert aber. Wie kommt er an die Waffen, den Sprengstoff, warum kündigt die Politik da kein sofortiges Handeln an. Wieso sagt jemand so etwas 2 Jahre und macht das öffentlich und gilt als Problemfall – aber es wird nichts getan. So jemand hätte Professionelle Hilfe gebraucht. Wo waren Eltern, Freunde oder Lehrer? Zu sagen Spiele waren Schuld und die USK hat versagt, erscheint mir doch etwas arg simpel. Man will nur schnell einen Sündenbock abstrafen ohne die Augen auf zu machen und wirklich die Probleme anzugehen. Dem Schulsystem und den Pädagogen sowie den Eltern im Allgemeinen die Schuld zu geben das sie sich zu wenig für die Kinder interessieren und nicht genug auf so etwas eingegangen wird, kann sich kein Politiker erlauben. Damit würde man ja zugeben, dass man selbst zu wenig getan hat und noch zusätzlich seine Wähler verprellen, das geht nun wirklich nicht.

Aber es gibt auch noch Politiker die das ganze Thema etwas klarer und realistischer sehen und nicht nur einfach populistische Parolen in jede Kamera sagen der sie habhaft werden können.

Nun meldeten sich Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin, und Kai Gehring, jugend- und hochschulpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu Wort. Beide sind der Überzeugung, dass allein ein Verbot von "Killerspielen" nicht genügen kann: "Computerspiele werden immer dann als Sündenbock herangezogen, wenn die Bildungs- und Jugendhilfepolitik der Länder ihr eigenes Versagen kaschieren wollen, wenn es mal wieder zu spät ist. Das ist zynisch. Die Wissenschaft konnte bisher kein einfaches Ursache-Wirkungs-Schema beim Konsum von Killerspielen und kriminellen Handlungen bestätigen. Erneute Verbotsforderungen sind billig. Zudem wären nationale Verbote von Computerspielen nutzlos. Das Internet hört nicht an Landesgrenzen auf, Computerspiele aus anderen Ländern können jederzeit nach Deutschland gelangen.

Die Schuldsuche bei Computerspielen verdeckt außerdem die nötige Debatte um einen Mangel an Medienkompetenz. Eltern, Schüler und Lehrer müssen hier zusammen Zeit investieren, um sinnvolle Wege im Umgang mit dem Computer zu finden. Ein Verbot suggeriert die Illusion einer schnellen Lösung. Der kritische Umgang mit Computerspielen erfordert hingegen Zeit und Aufmerksamkeit. Um Katastrophen wie in Emsdetten zu verhindern, hilft es nicht, Computerspiele zu verbieten. Um Gewalttaten vorzubeugen, muss viel umfassender und früher angesetzt werden: Bevor Kinder und Jugendliche anfangen, ihr Heil in der Gewalt suchen."

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